Jeff Gerstmann, Editorial Director und
seit elf Jahren Redakteur des US-amerikanischen
Online-Spielemagazins Gamespot, ist am vergangenem Freitag vom Mutterkonzern
CNet entlassen worden. Gerstmann hatte am 13. November einen
negativen Test des Spiels "Kane & Lynch: Dead Men" des Publishers Eidos veröffentlicht und in einem Video-Review den Zuschauern geraten, das Spiel wegen der unglaubwürdigen Charaktere und der schwachen Spielmechanik nicht zu kaufen. "'Kane & Lynch: Dead Men ist ein hässliches, hässliches Spiel"; resümierte Gerstmann. Gamespot hat den Videoclip kurze Zeit später von seinem Server genommen, er ist jedoch bei
Youtube weiterhin abrufbar.
Publisher Eidos hatte das Spiel mit großflächigen Werbebannern auf der Startseite von Gamespot beworben. Offiziell unbestätigten Informationen zufolge soll Eidos in Reaktion auf den Gerstmann-Test, bei dem das Spiel mit einer Wertung von 6,0 von 10 Punkten bedacht wurde, sich bei der Geschäftsführung bei CNet beschwert und zukünftige Werbeaufträge in sechsstelliger Höhe storniert, beziehungsweise mit einer Stornierung gedroht haben. Eidos äußerte sich bisher nicht öffentlich zu den Hintergründen. Eine Sprecherin von CNet
erklärte gegenüber dem Online-Magazin Joystiq, dass man keine Mitarbeiter auf Druck von Anzeigenkunden entlassen würde. Auf die Frage, ob Eidos Druck ausgeübt habe, antwortete die Sprecherin nicht. Jeff Gerstmann hielt sich bisher mit öffentlichen Äußerungen zurück, er wolle in Ruhe darüber nachdenken, ob er zukünftig als Redakteur oder gar als Spielentwickler weiterarbeiten wolle und habe bereits Gespräche mit anderen Firmen aufgenommen.
Gerstmann gehörte zu den Aushängeschildern des Magazins und hatte einen Ruf als kritischer Tester. Als solcher soll er der Geschäftsleitung in der Vergangenheit mehrfach aufgefallen sein, da er Werbekunden offenbar verärgert hatte, war aus seinem Umfeld zu hören. Der Kane-&-Lynch-Test, der durchaus im Einklang mit anderen Tests des Spiels steht, soll letztlich nur einen willkommenen Anlass für seine Entlassung abgegeben haben.
Die Entlassung hat indes zu einem
Sturm der Entrüstung bei Lesern und anderen Online-Spielemagazinen geführt. So sollen am Wochenende mehrere Tausend zahlende Kunden ihren Account bei Gamespot gekündigt haben. Gamespot musste die Leserbewertung des Spiels aussetzen, weil Leser das Spiel mit besonders schlechten 1,0er-Wertungen überhäuften. Tausende machten ihrer Wut im
Leserforum Luft und riefen zum Boykott der Seite auf. Wenn CNet durch die Entlassung von Gerstmann ein Exempel statuieren wollte, so hat sich dies inzwischen zu einem
PR-GAU für Gamespot und Eidos entwickelt.
Gamespot ist nicht die einzige Spiele-Seite, die CNet unterhält. Zum Portfolio gehören unter anderem auch die Seiten
Game Rankings und
Metacritic, die Kritiken über Filme, Musik, Bücher und Spiele aus verschiedenen Publikationen sammelt und Wertungen auf einer Skala von 1 bis 100 zusammenfasst. Dabei operiert Metacritic mit einer geheimen Formel, die Bewertungen bestimmter Seiten stärker gewichtet als andere.
Metacritic-Wertungen werden inzwischen auch von
Finanzexperten an der Börse herangezogen, um Verkaufspotenziale von Spielen zu beurteilen. So kletterte der Aktienkurs des Publishers Take 2 um 20 Prozent, nachdem dessen Spiel
Bioshock auf Metacritic mit überschwenglichen Bewertungen bedacht wurde. Auf der anderen Seite fiel der Aktienkurs von Activision um 5 Prozent, nachdem das Spiel
Spider-Man 3 nur eine Wertung von 50 Punkten bekam. Verträge der beiden Publisher sollen inzwischen Klauseln enthalten, nach denen Entwickler einen finanziellen Bonus erhalten, wenn ihr Spiel eine Metacritic-Wertung von mindestens 85 erhält. Es verwundert also nicht, wenn Hersteller mit Anzeigen-Geldern ihrem hohen finanziellen Interesse an positiven Bewertungen Nachdruck verleihen würden. Die CNet-Seiten haben zumindest auf dem US-Markt eine zentrale Schlüsselrolle bei den Spielbewertungen erlangt.
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